Kirche St. Cyriakus - Ruchheim
Pfalzgartenstr. 11
67071 Ludwigshafen
Vor 250 Jahren: Übergabe des Neubaus der Kirche St. Cyriakus in Ruchheim am 14.08.1772
2022 jährt sich zum 250. Mal die Fertigstellung der St. Cyriakus-Kirche in Ruchheim, eines geschichtsträchtigen Baus, dessen Vergangenheit eng mit den wechselvollen Ereignissen der deutschen und pfälzischen Geschichte verwoben ist. In der modernen Stadt Ludwigshafen ist sie eines der ältesten Gebäude und weist neben ihrer Bedeutung als Kulturdenkmal auch eine besondere Atmosphäre auf, wodurch sie sich zu einem beliebten Ort für Trauungen entwickelt hat.
Vorgeschichte
Die historische Rückschau führt zuerst zum Namenspatron St. Cyriakus. Er war ein früher Märtyrer der Kirche, der nach der Überlieferung am römischen Kaiserhof als Heilkundiger tätig war, aber wegen seines christlichen Glaubens im Jahre 303 in Rom gefoltert und enthauptet wurde. Er wird zu den 14 Nothelfern gezählt und vielerorts als Schutzpatron der Winzer verehrt.
Die Gläubigen suchten in Reliquien aus der Frühzeit des Christentums Halt für den Glauben und Beistand im Leben. So gelangten vermutlich um 847 auch Reliquien, die als Gebeine des heiligen Cyriakus verehrt wurden, nach Neuhausen (heute Stadtteil von Worms). Das dortige Kloster hatte von der weltlichen Herrschaft den Besitz verschiedener Dörfer bestätigt oder übertragen bekommen und zugleich Recht und Pflicht zur Abhaltung des Gottesdiensts übernommen. Es besteht die starke Annahme, dass auf diese Weise auch das zu Neuhausen gehörende Ruchheim zu einer St.Cyriakus-Kapelle oder -Kirche kam.
Ruchheim war nach allem, was der Forschung bekannt ist, in dieser Zeit ein fränkischer Ort mit einer gewissen landwirtschaftlichen Bedeutung, da der Boden fruchtbar und allenfalls durch Überschwemmungen beeinträchtigt war. Ab dem 8.Jahrhundert wird der Ort urkundlich erwähnt, wobei verschiedene Schreibweisen verwendet werden (z.B. Richinesheim).
Die Verhältnisse zwischen den geistlichen und weltlichen Herrschaften waren kompliziert. Es gab verschiedene Stufen des Adels und des Klerus, die nicht nur hierarchisch und regional organisiert waren, sondern auch durch Verträge (bzw. Lehensverhältnisse), Personalunionen, Eroberungen, Ehen und Erbschaften in immer wieder neuen Konstellationen aufeinandertrafen. Dies führte regelmäßig zu Streitigkeiten. Für Ruchheim kristallisierte sich im 15. Jahrhundert die Zuständigkeit der Grafen von Leiningen auf weltlicher Seite und des Bistums Worms (incl. Stift Neuhausen) auf geistlicher Seite heraus. Als Kurfürsten hatten auch die Pfalzgrafen einen erheblichen Einfluss in der Region.
Mit der Reformation wurden die Verhältnisse noch komplizierter. Die Landesherren hatten in der Regel das Bestreben und seit 1555 (Augsburger Religionsfriede, „cuius regio eius religio“) auch das Recht, ihre eigene Glaubensüberzeugung den Untertanen vorzuschreiben. Ein Grundrecht auf Religionsfreiheit gab es noch nicht. Dadurch entstand in Deutschland ein konfessioneller Flickenteppich, der in der Pfalz noch zusätzlich durch den Übertritt der Pfalzgrafen zu den nicht-lutherischen Reformierten aufgesplittert wurde. Ruchheim war hier insofern betroffen, als der Besitz des katholischen Stifts Neuhausen 1565 durch den Pfälzer Kurfürst Friedrich III. konfisziert wurde und damit auch Ruchheim an die Reformierte Kirche der Pfalz überging.
Große kriegerische Auseinandersetzungen suchten Deutschland im 17. Jahrhundert heim. Die Pfalz musste schwerste Kämpfe innerhalb Deutschlands und mit den französischen Nachbarn bestehen. Viele pfälzische Orte wurden im 30jährigen Krieg und im Pfälzischen Erbfolgekrieg fast vollständig zerstört und entvölkert. Auch für Ruchheim wird dies berichtet. Die Landesherren setzten daher für den Wiederaufbau stark auf Einwanderung. Namentlich aus Frankreich und der Schweiz gelangten viele Menschen in die Pfalz.
Entwicklung ab 1700
Ende des 17. Jahrhunderts wurde dann die Konfessionszugehörigkeit in Ruchheim zu einem Politikum, als die reformierte Linie der Wittelsbacher ausstarb und katholische Nachfolger die Kurpfalz erbten. Zwar war nach den Ereignissen der vergangenen Jahrzehnte ein vollständiger Übertritt der Bevölkerung zum Katholizismus nicht mehr angestrebt bzw. durchsetzbar, aber den noch vorhandenen oder neu angesiedelten Katholiken wurden im gesamten Einflussgebiet des Pfälzer Kurfürsten Johann Wilhelm Mitnutzungsrechte in den bislang ganz überwiegend reformierten Kirchen eingeräumt, was großen Protest auslöste. Unter anderem durch das Eingreifen anderer Kurfürsten, namentlich Brandenburg, wurde der Pfalzgraf zu einem Kompromiss gezwungen und übergab in einem komplizierten Verfahren den Katholiken 2/7 der reformierten Kirchen („Pfälzische Kirchenteilung“). Obwohl Ruchheim nur wenige Katholiken aufwies, wurde im Rahmen dieses Kompromisses im Jahre 1707 auch die Ruchheimer Kirche der katholischen Seite zugesprochen. Dies löste mehr als hundert Jahre andauernde politische und juristische Streitigkeiten mit der kurpfälzischen Obrigkeit und Unfrieden zwischen den Bewohnern aus.
Unter diesen Rahmenbedingungen waren lange nur wenig Gelder in den Erhalt der Kirche geflossen und der Zustand galt als beklagenswert. Spätestens seit 1740 gab es Pläne für einen Neubau. Aber erst 1770 begann das zuständige Bistum Worms, das auch den untergegangenen Stift Neuhausen weiter verwaltete, mit dem Neubau (bzw. Um- und Ausbau) der Kirche, die 1772 an die Ruchheimer Katholiken übergeben wurde. Wegen der Bedeutung der Glocken auch für weltliche Zwecke (Uhrzeit, Alarme, Ankündigungen, Totenglocke, Feiern) wurde das Glockengerüst von der politischen Gemeinde beigesteuert.
Auch damit waren die Streitigkeiten über Besitz und Nutzung noch nicht beigelegt. Erst mit dem Neubau einer Protestantischen Kirche im Jahre 1834 ebbten die Auseinandersetzungen ab, aber der Groll blieb leider noch lange erhalten.
Nach dem 2.Weltkrieg begannen die Menschen unterschiedlicher Konfession in Ruchheim sich anzunähern. Als Meilenstein gilt die Feier eines ökumenischen Gottesdienstes 1970. Heute besteht auf beiden Seiten der Wille zur Zusammenarbeit und das Bewusstsein, dass es mehr Verbindendes als Trennendes gibt.
Bauliches
Über die Vorläufer der heutigen Kirche ist baulich wenig bekannt. Die Existenz einer Kirche ist allerdings seit dem Mittelalter urkundlich belegt. Die Kirche war vom Friedhof umgeben und diente auch selbst als Ort für ausgewählte Beisetzungen.
Das 1772 im Wesentlichen fertiggestellte Gebäude wurde vermutlich unter Verwendung von Teilen des Altbaus errichtet. Der Architekt ist nicht bekannt, der Bau wird stilistisch dem späten Barock zugeordnet und war damit – vielleicht auf Grund des frühen Planungsbeginns – zum Zeitpunkt der Fertigstellung bereits nicht mehr ganz modern. Die Kirche war untergliedert in Langhaus, Chor und Sakristei. Der ursprünglich geplante Glockenturm wurde wohl aus finanziellen Gründen nur als Dachreiter ausgeführt. Die heutige Sakristei wurde erst 1962/65 angebaut. Die Ausmalung der Kirche hat sich im Laufe der Zeiten mehrfach verändert. Der heutige Anblick geht auf das Jahr 1965 mit Auffrischungen aus den Jahren 1988 und 2001 zurück.
Im Innern der Kirche stammen der Hochaltar, die Kanzel und eine Muttergottes aus der Zeit des Neubaus.
Die Orgel wurde 1818 von den Orgelbauern Johann Georg Geib (Vater) und Johann Georg Geib (Sohn) eingebaut. Sie hat ein Manual und nach der aktuellen Instandsetzung (s.u.) 8 Register. Der Vater Geib war ein erfolgreicher regionaler Orgelbauer, dessen Gesamtwerk umfangreich ist und als qualitativ hochwertig gilt. Sein Sohn stellte die Ruchheimer Orgel nach dem Tod des Vaters fertig, hatte aber wenig Erfolg mit der Fortführung der Firma.
Die beiden Glocken im Ruchheimer Geläut stammen von den Glockengießern Speck (Mannheim 1785) und Hamm (Frankenthal 1878).
Der Friedhof wurde 1824 an die heutige Stelle ca. 100 m von der Kirche entfernt verlegt, der alte Friedhof wurde 1860 aufgelassen. Zwischen der Kirche und dem ehemaligen Schulhaus wurde die Verbindung der Kirchenstraße (heute Pfalzgartenstraße) mit der Fußgönheimer Straße hergestellt.
1874 wurden neue Fenster eingebaut und die Kirche bis 1876 renoviert.
1917 wurde die Kirche neu ausgemalt.
1918 wurde ein geschnitzter Kreuzweg an den Wänden des Langhauses hinzugefügt. Er ist dem Gedenken der Ruchheimer Gefallenen des 1.Weltkriegs gewidmet.
1962-1965 wurden umfangreiche Arbeiten wie der Einbau einer Gasheizung, der Anbau einer neuen Sakristei, die Stabilisierung des Glockengerüsts und die farbliche Neugestaltung ausgeführt. Viele Elemente aus dieser Zeit prägen die Kirche noch heute.
1986/87 wurde die Kirche umfassend renoviert und der Eingang von der Südseite auf die westliche Stirnseite verlegt. Der Boden wurde aufgegraben und erneuert und der Heizungsschacht eingerichtet. Die Kirche erhielt neue Fenster. Ambo und neuer Zelebrationsalter wurden aufgestellt.
2001 wurde die Sanierung der alten Orgel, die mit Glück mehrere Kriege (= Metallsammlungen) und Modernisierungsbestrebungen überstanden hatte, in Zusammenarbeit mit der Firma Klais in Angriff genommen. Ergebnis war eine Annäherung an den Ausgangszustand von 1818 unter behutsamer Berücksichtigung technischer Notwendigkeiten und der inzwischen erfolgten Umgestaltung des Innenraumes der Kirche.
2010 wurde in einer umfangreichen Sanierung auch die Außenfassade der Kirche in einen befriedigenden Zustand gebracht.
Zum Kirchengelände gehört auch das ehemalige katholische Schulhaus, das heute als Jugend- und Gemeindeversammlungshaus dient. Das Eigentum war in der Vergangenheit umstritten und die Unterlagen zum Gebäude sind lückenhaft.
Katholisches Gemeindeleben
Ruchheim war seit dem Mittelalter kirchlich dem Stift Neuhausen (Bistum Worms) zugeordnet. Nach der Reformation gab es de facto keine katholische Gemeinde mehr. Der Gottesdienst wurde von der Reformierten Kirche der Pfalz versehen. Die verschiedenen Besatzungstruppen des 17. Jahrhunderts etablierten nur vorübergehend katholische Gottesdienste.
Mit dem neuen Pfalzgraf Johann Wilhelm veränderte sich die Lage (s.o.). Formal 1707, faktisch nach zähem Ringen erst deutlich später, wurde die Kirche katholisch und es wurden auch wieder katholische Gottesdienste abgehalten. Die Zelebranten kamen aus Nachbarorten (z.B. Fußgönheim). Ab 1739 wurde die katholische Konfession durch den neuen Dorfbesitzer Hallberg stark gefördert, was bei der reformierten Mehrheitsbevölkerung weiteren Unmut verursachte. Man muss leider von einem regelrechten Kleinkrieg mit gegenseitigen Schikanen ausgehen.
Die kleine Ruchheimer Gemeinde war im 18. Jahrhundert Filiale von Eppstein, seit 1822 Filiale von Fußgönheim und seit 1980 wurde Ruchheim seelsorgerisch von der jungen Pfarrei Christ König, Oggersheim betreut. 2015 wurde St. Cyriakus neben Christ König, Oggersheim und Maria Himmelfahrt, Oggersheim eine von 3 Gemeinden der Pfarrei Hl. Franz von Assisi.
Während bis zur französischen Revolution der Wormser Bischof für Ruchheim zuständig war, kam es in der Franzosenzeit zum Bistum Mainz und seit 1817 zum Bistum Speyer.
Heute zählt die katholische Gemeinde ca. 1500 Mitglieder. Die Tendenz ist wie in ganz Deutschland langsam fallend. Während Ruchheim lange Zeit durch Neubaugebiete von einer positiven Wanderungsbilanz begünstigt war, überwiegen heute auch hier der Sterbeüberschuss und Austritte. Es existiert ein aktiver Gemeindeausschuss und St. Cyriakus ist in den Pfarreigremien als Gemeinde gleichberechtigt vertreten.
Die Gottesdienste finden regelmäßig an Sonntagen und Mittwochen statt. Alle Hochfeste können ebenfalls am Ort von den Katholiken im Gottesdienst gefeiert werden. In den Marienmonaten Mai und Oktober, sowie im Advent und in der Fastenzeit finden zusätzlich Andachten sowie themenbezogene Gottesdienste statt. Fronleichnam wird, aus der Tradition der Filialgemeinde kommend, an einem eigenen Termin, dem Sonntag nach Fronleichnam, in der Regel mit einer Prozession gefeiert.
Jugend- und Messdienergruppen konnten erfreulicherweise trotz des raschen Wechsels der beteiligten jungen Menschen immer weitergeführt werden. Es gelang auch stets, Nachwuchskräfte aus den eigenen Reihen für die Übernahme einer Gruppenleitung zu begeistern.
Seit vielen Jahren gibt es im Kontakt zur Gemeinde eine Gruppe der kfd (Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands), die katholische Frauenarbeit im Sinne der kfd-Grundsätze betreibt und besonders auch für die Ökumene aktiv ist.
Der Kirchenchor singt seit Jahrzehnten unter fachkundiger musikalischer Leitung und hat schon etliche anspruchsvolle Werke zur Aufführung gebracht. Die Aktiven freuen sich über jede gesangsfreudige Verstärkung, die hinzustößt, da auch hier der demographische Wandel nicht ohne Spuren geblieben ist.
Mit großer Offenheit gehen inzwischen die Christen verschiedener Konfessionen in Ruchheim aufeinander zu. Beispiele für gemeinsame Aktionen sind Frauenfrühstück, Wandelkonzerte und Adventsfenster. Von beiden Seiten werden Chancen zur erweiterten Zusammenarbeit gesehen.
Zusammengefasst von Roland Saive (Juni 2022)
Literatur u.a.:
Barth Ruchheim gestern und heute
Kreiselmaier in: Festschrift 150 Jahre Prot. Kirche in Ruchheim
Wünschel Festschrift zur Renovierung 1986-88
Bistumsarchiv Speyer
Stadt Ludwigshafen