03.05.2020

Impuls zum 4. Sonntag der Osterzeit - Jesus der Gute Hirte

Heute Morgen sprach ein Prediger von der Erfahrung auch positiver Begleiterscheinungen der Corona-Krise. Bestimmt zutreffend für einen Teil der Zuhörer setze diese Zeit auch ungeahnte Talente und eine Fülle an Kreativität frei.

Mir scheint, um dies genießen zu können, muss ich zu einer derzeit privilegierten Gruppe gehören. Anderen Menschen fehlt es schlichtweg an Zeit und Energie für kreative Betätigung. Von Eltern höre ich, dass sie es im Homeoffice gerade so schaffen, ihre Arbeit bis tief in die Nacht zu erledigen. Tagsüber nehme sie die Organisation des Alltags in Beschlag. Die Kinder sind zu betreuen und bei den zum Teil maßlos übertriebenen Schulaufgaben brauchen diese Hilfe. Für Spiel und ausreichende Bewegung an der frischen Luft ist zu sorgen. Oftmals gibt es ältere Familienmitglieder oder Nachbarn, auf die besonders geachtet werden muss. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen fühlen sich Viele hilflos, ohnmächtig und verloren – oder haben schlichtweg Angst um ihre Gesundheit oder ihren Arbeitsplatz. So plagen besonders Künstler und Musiker oder Mini-Jobber in der Gastronomie finanzielle Sorgen.

Da tut die Botschaft des heutigen Sonntages gut: Wir sind nicht verloren, wie Schafe ohne Hirten. Jesus ist der gute Hirt, der für seine Schafe sorgt. Papst Franziskus erinnerte heute in der morgendlichen Messfeier an die Geschichte der Kirche, in der es viele falsche Hirten gegeben habe, „die die Herde ausnutzten, die Geld und Karriere wollten.“ Die Herde aber kenne und erkenne den guten Hirten und vertraue ihm. Der gute Hirte höre auf die Herde, führe sie und kümmere sich um sie: „Der Stil Jesu muss der Stil des Hirten sein. Der gute Hirt ist sanft und zärtlich, er wehrt sich nicht, er hat diese Zärtlichkeit der Nähe, er kennt die Schafe beim Namen und kümmert sich um jedes Schaf, als wäre er das einzige. Der gute Hirte, Jesus, begleitet uns immer auf dem Weg des Lebens“, so Franziskus weiter.

Heute wurde zum 50. Mal die Messe mit dem Papst aus der Kapelle Santa Marta übertragen. Ich empfinde es als großes Geschenk, in diesen Wochen in Rom mitfeiern zu können. Wie oft hatte ich den Eindruck: Die Bibeltexte, die Gebete, die ich schon so oft gehört habe, sind gerade jetzt zumir heute gesagt. Dabei mache ich die Erfahrung: Jesus führt mich. Er ist mein guter Hirte. Die einfachen und klaren Worte von Papst Franziskus in seinen Predigten, die oftmals den Charakter von Exerzitien-Vorträge hatten, führten mich immer mehr zu Jesus. In der Tat, dies ist die erste Aufgabe eines Hirten, die verirrten, verängstigten und verlorenen Schafe zurückzuführen und zu retten.

In der Messe betete Papst Franziskus für die guten Hirten, die ihr Leben hingegeben haben. Allein in Italien sind über 100 Priester am Corona-Virus gestorben. Hierzu zählte er auch die mehr als 150 Mediziner, die im Einsatz für die Heilung der Menschen sich selbst infiziert haben und verstarben. Der Sonntag des Guten Hirten ist für mich ein Anruf, noch mehr auf die Ärmsten der Armen und die Schwächsten bei uns und in der Welt zu achten – als ein Teil der Herde, um deren einzelne Schafe sich Jesus mit Milde und Zärtlichkeit kümmert.

Aber auch Papst Franziskus richtet seine Hirtensorge weit über die Kirche hinaus auf alle Menschen. Beeindruckt hat mich sein besonderer Segen „Urbi et Orbi“ am 27. März auf dem menschenleeren Petersplatz. Dabei ermutigte er alle: „Den Herrn umarmen, um die Hoffnung zu umarmen – das ist die Stärke des Glaubens, der uns von der Angst befreit und uns Hoffnung gibt.“ Franziskus will uns beistehen, damit wir alle gut aus der Krise herausgeführt werden. Nicht zurück in den alten Stall, wie es vielleicht die falschen Hirten möchten, wenn sie von „neuer Normalität“ sprechen, die doch nur wieder den alten Gesetzen folgt – zwar unter der besonderen Rücksicht der Hygieneregeln. Jesus führt uns auf die Weide, in eine neue österliche Realität: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben, das Leben in Fülle“ (Joh 10,10).

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